Samstag, 18. Juni 2011

Zitronen gegen Tränengas

Amnesty International setzt sich für die Rechte von Lesben, Schwulen und Transgender-Personen ein. Wiener AktivistInnen reisten zur Regenbogenparade nach Budapest.

Von Christian Höller

Was dürfen TeilnehmerInnen einer Regenbogenparade in Osteuropa auf keinen Fall vergessen? Eine Zitrone. Kommt es zu einem Tränengaseinsatz, sollte man sich den Zitronensaft in die Augen reiben. Spätestens hier wurde mir ein wenig mulmig zumute. Eine Stunde lang dauerte die Sicherheitsbesprechung durch Vertreter von Amnesty Ungarn und dem Amnesty EU-Office in Brüssel. Detailliert wurde uns erklärt, was wir tun müssen, falls es während der Parade zu gewalttätigen Ausschreitungen kommt und eine Evakuierung notwendig ist. Bevor wir los marschierten, erhielten alle TeilnehmerInnen ein Plastiksackerl mit einer halben Zitrone.

AkivistInnen aus ganz Europa
50 Amnesty-AktivistInnen aus ganz Europa - von Portugal bis Finnland - waren nach Budapest gereist, um dort für die Rechte von Lesben, Schwulen und Transgender-Personen einzutreten. Vom Netzwerk LGBT-Rechte von Amnesty Österreich waren drei Personen dabei. Nur zweieinhalb Stunden dauert die Fahrt von Wien nach Budapest. Doch beide Städte trennen Welten. In Wien, wo am gleichen Tag die Regenbogenparade stattfand, verwandelte sich die Wiener Ringstraße zu einer bunten und schrillen Partyzone. Die Veranstaltung begeisterte über 100.000 Menschen. Die wenigen PolizistInnen konzentrierten sich auf die Regelung des Verkehrs.

Rigoroser Polizeieinsatz
In Budapest dagegen wagten sich nur 1500 TeilnehmerInnen auf die Straße. Hundertschaften von PolizistInnen in Kampfausrüstung und mit Hunden riegelten die fünf Kilometer lange Strecke in der Innenstadt hermetisch ab. Alle Nebenstraßen waren mit Gittern abgesperrt. Schwule und Lesben, die zu spät kamen, wurde von der Polizei nicht mehr durchgelassen. Wegen der rigorosen Sicherheitsmaßnahmen standen nur wenige ZuseherInnen am Straßenrand. Die meisten verfolgten mit eiserner Miene das Geschehen. Hin und wieder gab es doch Applaus. Als etwa hundert RechtextremistInnen am zentralen Verkehrsknotenpunkt Oktogon die Polizeiabsperrungen durchbrechen wollten, setzten die BeamtInnen Pfefferspray gegen sie ein. Kurzfristig musste die Route der Parade geändert werden, um eine Konfrontation mit den GegendemonstrantInnen zu vermeiden. Die PolizistInnen wurden von den RechtsextremistInnen daraufhin mit Steinen und Glasflaschen beworfen. Doch ansonsten blieb es friedlich.

Amnesty lässt sich nicht einschüchtern
Wir ließen uns nicht einschüchtern. Mit Transparenten, Spruchbändern und Musik demonstrierten wir für die Rechte von Lesben, Schwulen und Transgender. Nach zweieinhalb Stunden endete der Marsch vor dem Parlament, wo die Abschlusskundgebung abgehalten wurde. Der Rückweg zum Hotel wurde zum Spießrutenlauf. Alle Transparente und Amnesty-T-Shirts mussten im Rucksack verschwinden. Weil sich in der nahe gelegenen U-Bahn-Station Rechtsextreme aufhielten, teilte sich die Amnesty-Delegation in mehrere Gruppen auf und fuhr über einen Umweg zum Treffpunkt. Falls wir von GegendemonstranInnen attackiert werden, sollten wir uns als ganz normale Touristen ausgeben. Vom Vorteil sei es dann, wenn sich ein Frau und ein Mann küsst, meinte der Amnesty-Sicherheitsbeamte. Traurig, wenn in einer EU-Stadt wie Budapest solche Ratschläge notwendig sind.

Andere AktivstInnen wurden attackiert
Während wir am Abend problemlos nach Wien zurückkehrte, gab es für eine andere Gruppe von 50 AktivistInnen der Österreichischen Hochschülerschaft ein trauriges Nachspiel. Diese wurden nach der Parade von RechtsextremistInnen gewalttätig angegriffen und flüchteten in ihren Bus. Nach Eintreffen der Polizei hätten die GegnerInnen die Sachlage jedoch umgekehrt geschildert und behauptet, sie seien selbst attackiert worden, sagte eine ÖH-Sprecherin. Daraufhin wurden die ÖsterreicherInnen von der Polizei aus dem Bus herausgezerrt, zwei Frauen wurden festgenommen. Die Polizei ließ sie erst in den frühen Morgenstunden des Sonntags frei.

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